Hintergrund
Schätzungsweise 15% aller Paare in Deutschland bleiben ungewollt kinderlos. Als Ursache kommt eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren in Betracht, die genetisch bedingt
sein können oder auf äußeren Einflüssen beruhen können. Zu letzteren zählen beispielsweise psychischer oder physischer Stress, Alkohol, Nikotin sowie einige Medikamente. Statistisch gesehen verteilen sich die Ursachen für einen unerfüllten Kinderwunsch fast gleichmäßig auf Mann und Frau. Bei 15-30% der betroffenen Paare liegt es an beiden Partnern und in 5-10% lässt sich keine Ursache finden. Am häufigsten sind bei der Frau Störungen der Eizellreifung, eileiterbedingte Unfruchtbarkeit oder Endometriose verantwortlich. Beim Mann ist es in den meisten Fällen eine Störung der Spermienreifung. Wenn diese Faktoren und äußere Einflüsse als Ursache für verminderte Fertilität eines Paares ausgeschlossen worden sind, untersucht man die genetischen Einflussgrößen. Dabei geht es zunächst um die häufigeren cytogenetisch feststellbaren Ursachen. Wenn auch da kein plausibler Grund festgestellt wird, untersucht man die nur molekularbiologisch nachweisbaren, im folgenden beschriebenen Größen.
AZF – Azoospermiefaktor
Hintergrund
Nach dem Klinefelter-Syndrom sind Mikrodeletionen auf dem Y-Chromosom die
zweithäufigste Ursache für eine verminderte Fertilität eines ansonsten gesunden Mannes-
sie führen zu einer gestörten Spermatogenese. Je nach vorhandener Spermienzahl und
somit Schweregrad der Störung unterscheidet man zwischen Oligo- und Azoospermie.
Indikation
Infertile Männer mit nicht-obstruktiver, idiopathischer Azoospermie, schwerer
Oligozoospermie, Kryptospermie, Sertoli Cell Only-Syndrom oder
Oligoasthenoteratozoospermie-Syndrom
Diagnostische Kriterien und Untersuchungsindikationen
Für etwa 5% dieser Fälle wird eine Deletion auf dem Y-Chromosom vermutet. Die genaue Analyse einer Deletion im AZF-Bereich kann bei der Wahl eines Therapieansatzes von großer Bedeutung sein. So ist eine testikuläre Spermienextraktion (TESE) bei Deletionen in den Abschnitten AZFa bzw. AZFb nicht erfolgversprechend, da sie immer zu einer Azoospermie fü hren. Demgegenüber ist das Krankheitsbild bei einer AZFc-Deletion heterogener, da hier das klinische Bild von einer schweren Oligospermie bis hin zu einer Azoospermie reicht. Das bedeutet, dass bei etwa 50% der Männer Spermien im Rahmen einer Hodenbiopsie mit einer TESE gefunden werden.
Genetik
Diese Mikrodeletionen liegen bei 0,6-1% aller infertilen Männer vor. Bei Betroffenen mit einer
nicht-obstruktiven Azoospermie oder einer schweren Oligozoospermie wird, nimmt man bei 8-13% als Usrache den Verlust des Azoospermiefaktors an. Die Regionen AZFa, AZFb und AZFc können von diesen Mikrodeletionen betroffen sein (AZFa: 3%: AZFb: 9%; AZFc: 79%; AZFbc: 6% und AFZabc: 3%). Eine solche Deletion kann zum Verlust von bis zu 26% der für die Spermatogenese wichtigen Gene führen. Dementsprechend variabel ist der klinische Phänotyp. Alle Söhne von Männern mit einer AZF-Deletion ererben diese Anomalie, während alle Töchter gesund sind.
Analytik
In zwei unabhängigen Ansätzen werden mittels Multiplex-PCR die drei relevanten DNA-
Abschnitte AZFa, AZFb und AZFc auf dem Y-Chromosom vervielfältigt. Das Vorliegen der
einzelnen Amplikons wird anhand einer Fragmentanalyse mittels Kapillarelektrophorese
untersucht.